Wild Food!

1. WILD FOOD FESTIVAL als Teil der Jagdmesse JAGD UND HUND in Dortmund, 29. Januar bis 3. Februar 2019.

Wildes Essen. Wild essen. Jagd hat schon immer auch mit essen zu tun – in der Subsistenzjagd ist das Essen sogar das wichtigste. Doch auch in der manchmal als ‚Freizeitjagd‘ titulierten Jagd im spätmodernen Europa hat das Essen schon immer eine Rolle gespielt. „44 Kilo – 74 Würste“, so beschrieb ein Jäger vor kurzem seinen letzten erlegten Überläufer (einjähriges Wildschwein). Viele Jäger essen, was sie erlegen: vom klassischen Rehrücken über Wildschweingulasch zu Hirschmedaillons. Manche ‚veredeln‘ das Wildbret zusätzlich, stellen Bratwurst, Leberwurst, Schinken her, für sich selbst oder für den Verkauf an Verwandte, Nachbarn und Bekannte.

Auch auf der JAGD UND HUND waren Essensstände immer mit dabei. Oft aus dem Alpenraum kommend, bieten sie Schinken und Salami vom Reh, Hirsch, Wildschwein bis hin zu Elch und Biber an, neben verschiedenen Käsesorten. ‚Wild‘ gilt allgemeinhin auch als hochwertiges und teures Fleisch und somit war es auch nicht verwunderlich, wenn Wild zusammen mit anderen (vor allem französischen) Delikatessen wie Foie Gras, Weinbergschnecken und Austern nebst Champagner angeboten wurde.

Doch seit einigen Jahren ändert sich die die Esskultur rund ums Wild – angetrieben vor allem durch die jagdlichen Institutionen (wie der Deutsche Jagdverband mit seiner Kampagne ‚Wild aus der Region‘ und ‚Wild auf Wild‘); den Jagdmedien (von einzelnen Rezeptseiten bis hin zu speziellen Themenheften wie Halali’s ‚So schmeckt Jagd‘); und Start-Ups oft jägerischer Unternehmer (wie beispielsweise der ‚Wilde Heinrich‘). Sie versuchen durch Direktmarketing (der Verkostungsstand im lokalen Supermarkt), neue Medien (die Zeitschrift ‚Wild‘), soziale Medien (von Facebook-Seiten bis zu YouTube-Kanälen) bis hin zu Messeständen nicht nur die Esskultur der jagdlichen Community zu ändern, sondern primär die Esskultur der nicht-jagenden Gesellschaft.

Dass all das gerade jetzt geschieht ist kein Zufall. Die Esskultur in Deutschland ändert sich seit Jahren rasant. Hochwertige Lebensmittel stehen nach diversen Skandalen hoch im Kurs. In diesem Zusammenhang haben speziell auch Biowaren an Beliebtheit zugenommen. Hinzu kommt eine Diversifizierung des Marktes durch eine zunehmende Sensibilisierung der Konsumenten für feinste Unterschiede: was einmal mit Weinverkostungen und dem geschulten Gaumen eines Sommeliers begann, wird heute ausgeweitet auf Bier, Whiskey, Gin, Käse, Brot, usw. Auch amerikanische Grillkultur hat Einzug gehalten als BBQ, inklusive zugehöriger ‚Cuts‘ (Ribeye, Porterhouse Steaks, Tri-Tip), Jack Daniel’s Grillsoßen und Smokern und immer größeren Grills.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn die Jagdmesse JAGD UND HUND sich um das 1. WILD FOOD FESTIVAL ergänzt, um diese neuen Trends aufzufangen. Wie positioniert sich das Wild/bret in dieser neuen Esskultur? Zunächst findet man die ‚traditionellen‘ Wurst-Schinken-Käse-Stände, die allerdings Zulauf bekommen von neuen Start-Ups wie der ‚Wilde Heinrich‘ oder ‚Jägerhaus‘. Obwohl sich an den Waren kaum etwas unterscheidet, gibt man sich doch bewusst ‚hipper‘ und hochwertiger. Die Wildbretveredelung in höchster Form bietet beispielsweise  ‚Wildhüters‘: hier werden aus Ringsalamis und Obstbränden feinste Spezialitäten in passenden Holzschachteln ‚Wildpräsente‘, die in ihrem Design an kubanische Zigarrenschachteln erinnern. Von hier zu den französischen Delikatessen ist es nicht mehr weit. Auch die Kochdemonstrationen auf der Hauptbühne machen aus Wild hors d’oeuvres und amuse-bouche (Lisa Angermann, Conrad Baiert).

Die Veredelung des Wilds wird ferner unterstützt durch einen Whiskey-Stand und einen Gin-Stand. Obwohl beide Stände erst einmal nichts mit der Jagd oder Jäger-Unternehmern zu tun haben, so hoffen beide doch auf geschmacks- und qualitätsbewusste Kundschaft, um ihre meist in kleinen ‚Manufakturen‘ hergestellten Spirituosen mit der neuen wilden Esskultur in Verbindung zu bringen. Neuauflagen alter Bekannter, wie den Kräuterlikör, gibt es allerdings auch, von ‚Bockfieber‘: ursprünglich als Geschenk an eine Jägerin gedacht und von da mit Erfolg auch für Nicht-Jäger als Unternehmen ausgeweitet. Der ‚wilde‘ Wein kommt daher als ‚Jagdwein‘ des Weinguts H.L. Menger oder als ‚WaidmannsWein‘ des gleichnamigen Weinhändlers – beide zieren Jagdbilder zeitgenössischer Jagdmaler. Und beide berufen sich auch auf eine Verbindung ihrer Passion für Wein und Jagd.

Wild muss allerdings nicht immer edel sein. Es geht auch mit ‚Keiler‘-Kellerbier, ‚Wilddöner‘, ‚Wildburger‘, ‚Wild-Currywurst‘ oder ‚pulled pork‘ vom Wildschwein, sprich klassische (Fast Food) Gerichte werden verwildert. Dazu passend auf der Kochbühne: Beefer mit ‚Wild roe venison snacks with beer‘ oder der ‚Fooddealer‘ Torsten Pistol mit ‚Young and wild! Hardcore meets WILD GAME(MEAT)‘. ‚Hardcore‘ für die eher jungen Jäger und Wildinteressierten kommt auch das Titelbild der Gastronomie-Zeitschrift ‚Ruhrgebeef‘ daher: der frontale Keilerkopf mit leuchtenden Augen und Blut am Eckzahn ziert eine Ausgabe, in der die Jagd im Fokus steht. Sonst damit beschäftigt in die Genusswelt des Ruhrgebiets einzudringen, haben die Journalisten für diese Ausgabe einen Jäger und Metzger beim Abschuss eines Hirsches begleitet und ihn beim Zerwirken zugeschaut. Nur dass diesmal das Wildbret nach amerikanischer Art in ‚Cuts‘ zerlegt wurde. Und damit ist die Brücke zu den amerikanischen Spareribs, Grills und Schinken der restlichen Ausgabe geschlagen.

Die zweite vertretene Zeitschrift auf dem Festival hat einen anderen Zugang zum Thema Wild gewählt. Herausgegeben vom Jagdverlag par excellence Paul Parey, geht es in der ‚WILD‘ um bewusstes Genießen rund um die Esskultur ‚Wild‘: Wildrezepte, Küchenhilfen (Fleischwolf, Pfannen), Beilagen (Senf, ‚heimisches Superfood‘) und Fleischverarbeitung (Hack, kalt räuchern, zerlegen). Interessanterweise betont der Redakteur Markus Lück, dass die Jagd selbst in der Zeitschrift eine Nebenrolle spielt. Die Zeitschrift wendet sich primär an Nicht-Jäger und möchte das kontroverse Thema Jagd entkoppeln vom Wildgenuss. Die Strategie hier ist, so könnte man sagen, über den Wildgenuss indirekt auch die Jagd für neue Konsumenten ’schmackhaft‘ zu machen.

Das WILD FOOD FESTIVAL ist daher nicht eine reine Verkaufs- und Informationsveranstaltung, so wie man es bei einer Messe vermuten könnte. Das Festival ist auch politisch: Essen und Geschmack sind Teil einer sinnlichen Imagekampagne der deutschen institutionalisierten Jägerschaft. Das Wild als ’natürliches‘, ’nachhaltiges‘, ‚handwerklich‘ hergestelltes, ‚ethisches‘ Lebensmittel soll auf eine ebenso geartete Jagd verweisen. Diese sinnliche Imagekampagne verlässt sich dabei nicht auf intellektuelle Überzeugungsarbeit, sondern wirkt eher visuell (Bilder in den Social Media-Kanälen), körperlich über den Geschmack und das Essen und damit auch affektiv: letztlich soll der ‚Bauch‘ entscheiden, was man von der Jagd hält.

 

Wild essen. Eating wild. Eating game. Hunting has always been about eating – in fact, in subsistence hunting, eating is the most important thing. But food has also always played a role in what is sometimes dubbed ‚recreational hunting‘ in late modern Europe. „44 kilos – 74 sausages“ is how one hunter recently described his last killed Überläufer (one-year-old wild boar). Many hunters in Germany eat what they kill: from the classic saddle of venison to wild boar goulash to deer medallions. Some also ‚refine‘ the venison, making sausage, liver sausage, ham, for themselves or for sale to relatives, neighbours and acquaintances.

Food stalls have always present at the JAGD UND HUND hunting fair. Often coming from the Alpine region, they offer ham and salami from roe deer, stag, wild boar to elk and beaver, alongside various types of cheese. Game‘ is also generally considered to be a high-quality and expensive meat, so it was not surprising when game was offered together with other (mainly French) delicacies such as foie gras, snails and oysters, along with champagne.

But for some years now, the food culture around game has been changing – driven mainly by hunting institutions (such as the German Hunting Association with its campaign ‚Wild aus der Region‘ and ‚Wild auf Wild‘); hunting media (from individual recipe pages to special themed magazines such as Halali’s ‚So schmeckt Jagd‘); and start-ups often run by hunting entrepreneurs (such as ‚Der Wilde Heinrich‘). Through direct marketing (the tasting stall in the local supermarket), new media (the magazine ‚Wild‘), social media (from Facebook pages to YouTube channels) to trade fair stands, they are trying to change not only the food culture of the hunting community, but primarily the food culture of Germany’s non-hunting society.

That all this is happening right now is no coincidence. The food culture in Germany has been changing rapidly for years. After various meat scandals, high-quality food is very popular. In this context, organic food in particular has increased in popularity. In addition, the market is diversifying due to consumers‘ increasing awareness of subtle differences: what once began with wine tastings and the trained palate of a sommelier is now being extended to beer, whiskey, gin, cheese, bread, etc. American barbecue culture has also arrived as BBQ, including associated ‚cuts‘ (ribeye, porterhouse steaks, tri-tip), Jack Daniel’s barbecue sauces and smokers and ever larger grills.

Against this background it is not surprising that the hunting fair JAGD UND HUND is complemented with the 1st WILD FOOD FESTIVAL to catch these new trends. How is venison positioned in this new food culture? First of all, you will find the ‚traditional‘ sausage, ham and cheese stalls, which are, however, being joined by new start-ups such as the ‚Wilde Heinrich‘ or ‚Jägerhaus‘. Although there is hardly anything different about the products, they deliberately present themselves as ‚hip‘ and of higher quality. Wildhüters‘, for example, offers game refinement at its best: here, ring salamis and fruit brandies are turned into the finest specialities in matching wooden boxes called ‚Wildpräsente‘, whose design is reminiscent of Cuban cigar boxes. It is not far from here to the French delicacies. The cooking demonstrations on the main stage also turn game into hors d’oeuvres and amuse-bouche (Lisa Angermann, Conrad Baiert).

The refinement of venison is further supported by a whiskey stand and a gin stand. Although neither stand has anything to do with hunting or hunter-entrepreneurs for the time being, both are hoping for taste- and quality-conscious customers to connect their spirits, which are mostly produced in small ‚manufactories‘, with the new wild food culture. However, there are also new editions of old acquaintances, such as the herbal liqueur – reminiscent of Jägermeister – from ‚Bockfieber‘: originally intended as a gift to a female hunter and from there successfully expanded as a business for non-hunters as well. The ‚wild‘ wine comes as ‚Jagdwein‘ (hunting wine) from the H.L. Menger winery or as ‚WaidmannsWein‘ (hunter’s wine) from the wine merchant of the same name – both adorn hunting pictures by contemporary hunting painters. And both also refer to a connection between their passion for wine and hunting.

However, venison does not always have to be haute cuisine. It can also be served with ‚Keiler‘ cellar beer, ‚Wilddöner‘, ‚Wildburger‘, ‚Wild Currywurst‘ or ‚pulled pork‘ from wild boar, i.e. classic (fast food) dishes are ‘feralized’. Matching on the cooking stage: the cook called Beefer with ‚Wild roe venison snacks with beer‘ or the ‚Food dealer‘ Torsten Pistol with ‚Young and wild! Hardcore meets WILD GAME(MEAT)‘. The cover of the gastronomy magazine ‚Ruhrgebeef‘ is also ‚hardcore‘ for the rather young hunters and those interested in game/venison: the frontal head of a boar with glowing eyes and blood on the canine tooth adorns an issue that focuses on hunting. Normally concerned with writing about the culinary world of the Ruhr region, the journalists accompanied a hunter and butcher for this issue as he shot a stag and watched it being carved. Only this time the venison was cut into ‚cuts‘ in the American style. And that’s the bridge to the American spare ribs, barbecues and hams of the rest of the issue.

The second magazine represented at the festival took a different approach to venison. Published by the hunting publisher par excellence Paul Parey, ‚WILD‘ is about conscious enjoyment around the food culture of venison: venison recipes, kitchen aids (meat grinder, pans), side dishes (mustard, ‚local superfood‘) and meat processing (mincing, cold smoking, carving). Interestingly, editor Markus Lück tellas me that hunting itself plays a minor role in the magazine. The magazine is primarily aimed at non-hunters and wants to decouple the controversial topic of hunting from the enjoyment of venison. The strategy here is, one could say, to indirectly make hunting ‚palatable‘ for new consumers via the enjoyment of venison.

The WILD FOOD FESTIVAL is therefore not a pure sales and information event, as one might expect from a trade fair. The festival is also political: food and taste are part of a sensual image campaign of the German institutionalised hunting community. Vension as a ’natural‘, ’sustainable‘, ‚artisanal‘, ‚ethical‘ food is supposed to correspond to a similar type of hunting. This multisensory image campaign does not rely on intellectual persuasion alone, but rather has a visual effect (images in the social media channels), a visceral effect via taste and scent, and finally an affective effect: ultimately, the ‚gut‘ should decide how (ethically) ‘tasteful’ hunting is.